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Freiwillig. Stark!

06.09.2024 | Freiwillig.Stark!

Unsere Portraitserie "Freiwillig. Stark! Ehrenamt in Rostock – Gemeinsam für mehr Miteinander."

Weil das Sterben zum Leben dazugehört
Der LetHe Hospizverein rückt den Tod in die Mitte der Gesellschaft

Nicht immer läuft das Leben nach einem Plan. Stephanie hat nicht geplant, krank zu werden. Sie hat nicht geplant im Alter von 43 Jahren zu sterben und ihre beiden Kinder als Waisen zu hinterlassen. Stephanie hat das Leben geliebt – und die Menschen, mit denen sie es teilen durfte. Sie hat das Leben gefeiert. Bis zum letzten Atemzug. Und sie hatte eine Mission: Sie wollte Menschen die Angst vor dem Tod nehmen. Hierfür hat sie den LetHe Hospizverein e.V. gegründet. Dieser leistet Lebenshilfe für die Angelegenheiten Sterblicher, hilft zum Beispiel beim Ausfüllen von Patientenverfügungen, der Planung von Beerdigungen oder schafft Raum für Begegnungen – unter anderem beim Death Café, das viermal im Jahr organisiert wird und an dem alldiejenigen teilnehmen können, die sich über die Themen Sterben, Tod und Trauer austauschen und nachdenken wollen. In Letzte Hilfe Kursen wird Basiswissen und Orientierung zur Sterbebegleitung vermittelt. Der Kurs ermutigt, sich Sterbenden zuzuwenden und gibt Angehörigen in schweren Zeiten Sicherheit.   „Stefanie hat ihr Herz in diesen Verein gesteckt. Es war ihr ein Bedürfnis, den Tod sichtbar zu machen, als Abschnitt in unserem Leben“, sagt Stephanies Mutter Renate Zeug. Zu Ehren ihrer Tochter möchte sie gemeinsam mit einigen Mitstreiterinnen die Arbeit des Vereins fortsetzen. „Für Stephanie. Sie hat so vielen Menschen geholfen, Kraft und Mut gegeben. Das war ihr wichtig. Wir treten in sehr große Fußstapfen.“

Was alle Menschen vereint, ist die Geburt und der Tod. Alle müssen sterben. Und jeder wird früher oder später damit konfrontiert, dass das Leben endlich ist. Anders als noch vor 100 Jahren sind das Sterben und der Tod heute unsichtbarer geworden. Die Themen wurden aus der Gesellschaft outgesourct – als  nicht greifbarer Abschnitt im Leben. „Stephanie wollte, dass Tod und Sterben als natürlicher Teil des Lebens bewusst wahrgenommen werden, damit wir insgesamt sorgsamer miteinander umgehen und unsere (Lebens-)Zeit zu schätzen wissen. Denn wir sind nicht unsterblich“, verdeutlicht Renate Zeug.

Katja Dabergott & Rosita Mewis (von links)

Stephanie ist am 2. Dezember 2023 gestorben. Sie hat geplant wie ihr Lebensende aussehen soll. Sie hat alles vorbereitet, an jedes Detail gedacht. Sie hat Briefe an ihre Liebsten geschrieben, die Musik ausgesucht und auch das, was beim Abschiednehmen gesagt werden soll. Sie wollte keine Trauer-, sondern eine Lebensabschiedsfeier. Stephanie wurde früh mit dem Tod konfrontiert: Ihr Mann erkrankte schwer an Multiple-Sklerose und starb 2021. Ein Jahr zuvor erhielt sie selbst eine Krebsdiagnose. Trotz der eigenen Erkrankung begleitete sie ihren Mann auf seinem letzten Lebensweg. „Wie eine Sache beginnt und wie eine Sache zu Ende geht, ist nicht nur in Liebesbeziehungen wichtig und bleibt in Erinnerung, sondern auch wie ein Mensch ins Leben kommt und wie er auch von dieser Erde geht“, erklärte Stephanie in Zusammenhang mit der Vereinsgründung. Und so warf sie während der Bestattung ihres Mannes keine Erde auf den Sarg, sondern Herzens-Gummibärchen. „Erde fühlte sich nicht richtig an.“

Der LetHe Hospizverein e.V. hat seine Anlaufstelle in der Kreativwerkstatt von Renate Zeug in dem Rostocker Stadtteil Reutershagen. Als gelernte Schneiderin hat Stephanies Mutter das Projekt „Verbundstoff - der rote Faden & das letzte Hemd“ initiiert. Die Idee dahinter: Aus dem Lieblingskleidungsstück eines verstorbenen Herzensmenschen entsteht im Sinne des Upcyclings etwas Neues. So wird beispielsweise aus Opas Lieblingshemd ein Kuscheltier für das Enkelkind oder aus dem Kleid der früh verstorbenen Mutter ein Kuschelkissen.

„Bevor ich sterbe, möchte ich ganz viel lachen.“ Stephanie hat genau das getan. Sie hat sich mit den Menschen umgeben, die ihr Herz mit Liebe füllten. Sie hat das Thema Tod in die Mitte der Gesellschaft geholt. „Wir wollen dort ansetzen und weitermachen. Stephanie war einzigartig, ihre Energie, ihr Mitgefühl. Wir können nicht sein wie Setphanie, aber wir können dafür sorgen, dass ihr ehrenamtliches Engagement Früchte trägt. Ihre Herzensangelegenheit ist auch unsere Herzensangelegenheit“, sagt Renate Zeug. Der Verein sucht hierfür händeringend Unterstützer*innen, vor allem Menschen, die Letzte Hilfe Kurse geben oder individuelle Beratungen rund um Vorsorgeangelegenheiten durchführen können – damit der Verein weiterleben kann.